Batterien: Schlüssel zur Energiewende

Lauf, Batterie, leiste!

Viele deutsche Zentren forschen an besseren Batterien. Die Erfolgsaussichten sind gut, auch wenn ungebremste Euphorie fehl am Platz wäre.

Visionen können Menschen antreiben, sie zu verwirklichen. So auch die von der „Superbatterie“. Doch ausgerechnet Martin Winter, der wohl renommierteste deutsche Batterieforscher, stellt sie infrage: „Was genau soll denn super sein? Der Energieinhalt pro Gramm, der Energieinhalt pro Kubikzentimeter, der Preis, die Lebensdauer, die Spannung, die Unempfindlichkeit gegen hohe oder niedrige Temperatur, die Verfügbarkeit der Rohmaterialien, die Handhabung, die Umweltverträglichkeit oder das Speichervermögen?“ Der Leiter des MEET Batterieforschungszentrums der Universität Münster kritisiert, dass meist nur auf eine oder höchstens zwei dieser Kenngrößen geachtet werde. „Diese eindimensionale Betrachtungsweise wird der Sache nicht gerecht, steckt aber in uns allen drin“, sagt Winter.

Seit 2015 gibt es im Rahmen des bild-der-wissenschaft-Abos das Themenheft. In ihm macht es sich die Redaktion zur Aufgabe, einen brisanten Bereich aus verschiedenen Blickwinkeln der Wissenschaft und Technologie zu beleuchten. Ein Megathema, das uns alle betrifft, ist die Energiewende. Wir konzentrieren uns in dieser Ausgabe auf das, was deutschlandweit in Sachen Energiespeicher-Technologien passiert. Und das in fast 20 Beiträgen, von denen der überwiegende Teil durch die beiden freien Wissenschaftsjournalisten Felix Austen und Dr. Frank Frick recherchiert und geschrieben worden ist.

Chefredakteur Wolfgang Hess in seinem Editorial

Offensichtlich auch in André Thess, Direktor des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik. Er hat sich öffentlich die Frage gestellt: Wo zeitigt ein Durchbruch den größten gesellschaftlichen Nutzen? Wenn die Energiedichte auf das Zehnfache des heutigen Wertes gesteigert werden könnte? Wenn die Zahl der Ladezyklen um das Zehnfache gesteigert werden könnte? Oder wenn der Preis von derzeit rund 500 Euro pro Kilowattstunde auf 50 Euro verringert werden könnte? Thess kommt zu dem Schluss: Von einem Preissprung nach unten würde unsere Lebensqualität am meisten profitieren. Denn das Resultat wäre, so der Stuttgarter Forscher „eine Welt, in der Batterien ähnlich billig sind wie volle Bierkästen“. Und in einer solchen Welt wären Großstadtbewohner dank Elektroautos vom Smog befreit und Eigenheime könnten unabhängig vom öffentlichen Stromnetz betrieben werden. Zudem würden akkugetriebene Roboter alte und behinderte Menschen über die Straßen rollen und Treppen hochtragen. Würde man das Ergebnis von Thess` Gedankenspiel auf eine Formel bringen, so wäre sie sehr einfach: Billig ist super.

Gibt es in diesem Punkt also noch unterschiedliche Sichtweisen, so sind sich wohl nahezu alle Experten sicher, dass der Superakku eine Illusion ist. Stellvertretend die Stimme von Rainer Hald, Chief Technology Officer der Varta Microbattery GmbH, Ellwangen: „Eine wiederaufladbare Batterie für universelle Anwendung – das wird es auch künftig nicht geben.“ Denn: Eine Batterie für Elektroautos beispielsweise muss viel Strom bei ganz unterschiedlichen Temperaturen liefern, damit der Motor ausreichend beschleunigt. Außerdem ist wenig Platz für die Batterie vorhanden. Solche Anforderungen spielen beispielsweise bei Heimspeichern für Solarenergie nicht eine ganz so große Rolle, dafür müssen solche Geräte über sehr lange Zeit und viele Auf- und Entladevorgänge hinweg funktionieren. „Wir müssen jede aufladbare Batterie mit Blick auf die Anwendung zum Weltmeister in ihrer eigenen Disziplin machen“, folgert Batterieforscher Rüdiger Eichel vom Forschungszentrum Jülich.

Lithium-Ionen-Batterien sind erste Wahl

Einen Einblick, wie das in der gegenwärtigen industriellen Praxis funktioniert, gewährt Vart-Experte Hald am Beispiel eines Lithium-Ionen-Akkus. Dieser Akku-Typ hat vor allem wegen seiner hohen Energiedichte zum Beispiel Handys, Laptops, Elektrowerkzeuge und stationäre Speicher  erobert. Für die Elektromobilität werden Lithium-Ionen-Akkus laut der Studie 2014 des Batterieforums Deutschland „in den kommenden 20 oder mehr Jahren aller Voraussicht nach die erste und einzige Wahl bleiben.“

Ein solcher Akku enthält wie jede Batteriezelle eine negative Elektrode – auch Anode oder umgangssprachlich Minuspol genannt – und eine positive Elektrode – die Kathode. Die Elektroden wiederum setzen sich jeweils aus einem Stromableiter und einem Aktivmaterial zusammen, an dem die eigentlichen elektrochemischen Reaktionen stattfinden. „Fordert eine Anwendung von einem Lithium-Ionen-Akku eine besonders hohe Speicherkapazität, bringt man das Aktivmaterial besonders dick auf der stromableitenden Metallfolie auf“, erläutert Hald. Das erkaufe man sich damit, dass die Batterie mit kleineren Strömen geladen und entladen werden kann. Der VARTA-Experte weiter: „Soll der Akku vor allem hohe Ströme liefern, baut man Elektroden mit einer dünnen Schicht Aktivmaterial ein.“ Eine andere Stellschraube ist der Elektrolyt, der sich zwischen den Elektroden befindet und Lithiumionen leitet. Üblicherweise wählt der Akkuhersteller den Elektrolyten so aus, dass der Akku seine beste Leistung bei Raumtemperatur bringt. „Doch man kann auch Elektrolyte einsetzen, die bekanntermaßen für niedrige oder hohe Temperaturen besonders gut geeignet sind“, sagt Reiner Hald.

Etwas grundlegender arbeiten Institute und Zentren, die mit Steuergeldern finanziert werden, an der Lithium-Ionen-Technologie. Mit Erfolgen, wie einige Beispiele des letzten Jahres zeigen: Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie und des Helmholtz-Instituts Ulm entwickelten ein Kathodenmaterial, das Lithium-Ionen nach einem neuen Prinzip ansammelt. Dadurch kann es mehr Energie auf geringem Raum speichern als alle anderen Materialien, über die bisher berichtet wurde. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg präsentierte ebenfalls ein neues Kathodenmaterial. Es zeichnet sich neben einer hohen Energiedichte dadurch aus, dass es frei vom Metall Kobalt und daher vergleichsweise preiswert ist. Das Forschungszentrum Jülich präsentiert einen Lithium-Ionen-Akku, bei dem ein fester Elektrolyt die übliche brennbare und manchmal giftige Flüssigkeit ersetzt. Wissenschaftler des MEET in Münster berichten über Zusatzstoffe, die den flüssigen Elektrolyt stabilisieren. Diese Elektrolyten aus Münster und Jülich könnten die Haltbarkeit von Lithiumionen-Akkus der nächsten Generation verbessern, die bei Spannungen bis fünf Volt arbeiten. Trotz solcher Meldungen sagt Rainer Hald: „Wir glauben bei wiederaufladbaren Batterien an eine Evolution mit kontinuierlicher Steigerung des Speichervermögens durch Materialforschung. Eine Revolution in Serienreife sehen wir in der nahen Zukunft nicht.“

Batterien: 30 Jahre Mauerblümchen

Dass überall in Deutschland an Batterien geforscht wird, ist gar nicht so selbstverständlich. Denn Mitte der 1980er Jahre war die gesamte Unterhaltungselektronik-Industrie nach Asien abgewandert – und mit ihr die Batterieproduktion. Fast 30 Jahre lang fristete die Branche ein Mauerblümchen-Dasein und deutsche Universitäten bildeten demnach kaum noch entsprechende Fachleute aus. Das hat sich erst mit der Energiewende und den Elektromobilitätsplänen der Bundesregierung geändert. Viel Steuergeld wird seit einigen Jahren in die Batterieforschung gesteckt. So hat der Bund von 2009 bis 2014 allein die Innovationsallianz „Lithium-Ionen-Batterie 2015“ mit 60 Millionen gefördert. Dazu kommen millionenschwere Förderprogramme für die Materialforschung und für Elektromobilität. Auch die Bundesländer mischen mit und haben 2013 für die Speicher-Forschung rund 25 Millionen und für die E-Mobilität rund 55 Millionen Euro lockergemacht. Als Ergebnis nennt der Bundesbericht Energieforschung 2015: Bei der Lithiumionen-Technologie „ist die Forschung nun wieder international wettbewerbsfähig“.

Allerdings bedeutet das keinesfalls, dass Deutschland auch bei der Produktion von Lithiumionen-Akkus auf Augenhöhe mit Asien ist. Einziger Hersteller mit deutschen Werken ist  Varta Microbattery, die zum Schweizer Konzern Montana Tech Components gehört.

Deutsche Forscher beschäftigen sich auch mit Alternativen zum Lithium-Ionen-Akku. Der wirtschaftliche Einsatz vieler dieser Akku-Typen, so heißt es in der Studie 2014 des Batterieforums Deutschland, „liegt aus Sicht der meisten Experten derart weit in der Zukunft, dass sie keine stichhaltigen Prognosen über Parameter wie Lebensdauer, Leistungsbereichs- und Temperaturbereichsgrenzen oder gar Anwendungsbereiche geben können.“

Zur Palette der von der Studie angesprochenen Alternativen gehören Lithium-Schwefel-Akkus. Bei dieser Kombination ist auch Winter eher skeptisch. Doch eine Komponente dieser Akkus hat es ihm angetan: „Ich bin schon lange ein Fan von Anoden aus reinem metallischem Lithium“, sagt er. Offensichtlich teilt die Robert Bosch GmbH Winters Vorliebe. Volkmar Denner, Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung, spricht von einer möglichen „Durchbruchstechnologie“. Bosch hat das entsprechende Know-how zusammen mit dem kalifornischen Start-up-Unternehmen Seeo aufgekauft und sieht laut Pressemitteilung das Potential, damit „die Energiedichte bis 2020 mehr als zu verdoppeln und die Kosten nochmals deutlich zu senken“.

Man muss dazu wissen: Reines Lithium reagiert mit wässrigen Flüssigkeiten unter heftiger Wärmeentwicklung. Um das zu verhindern, besteht die Anode in üblichen Lithiumionen-Akkus aus Graphit, in das Lithiumionen eingelagert werden. Das senkt allerdings die Energiedichte der Batterie. Um eine Anode aus reinem Lithium sicher zu betreiben, muss man sie mit einem festen Elektrolyten kombinieren – und das ist die Technologie, auf die Bosch setzt.

Laut der Studie des Batterieforums gehören zu den Akkus mit ungewissen Zukunftsaussichten auch solche vom Metall-Luft-Typ. Mit ihnen beschäftigen sich unter anderem Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich. Prinzipiell sind sie viel leichter als konventionelle Batterien. Denn sie führen eine ihrer Komponenten – den Sauerstoff – nicht mit, sondern nehmen ihn aus der umgebenden Luft auf. Solche sozusagen atmenden Akkus versprechen theoretisch eine Energiedichte, die in der Größenordnung von Benzin liegt. „Wir verfolgen verschiedene Konzepte von Eisen-Luft über Alu-Luft bis Zink- und Silizium-Luft“, sagt der Jülicher Forscher Eichel. Das Problem: Solche Akkus liefern derzeit deutlich weniger Energie als erwartet – und funktionieren vor allem schon nach wenigen Lade-Entlade-Zyklen nicht mehr.

Die Idee, auf dem der Metall-Luft-Akku beruht, lässt sich auf faszinierende Weise erweitern. Denn die Umgebung einer Batterie muss nicht aus Luft, sondern kann auch aus Meerwasser bestehen. Das jedenfalls haben sich Forscher um Maximilian Fichtner, Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm, überlegt. Gemeinsam mit dem südkoreanischen Ulsan National Institute of Science and Technology (UNIST) arbeiten die Forscher an einem großformatigen stationären Batteriespeicher, der während des Ladevorgangs Natriumionen aus dem Meerwasser ansammelt.

Weit näher an der Marktreife als solche eher visionären Konzepte für stationäre Speicher ist die Redox-Flow-Technologie. Dabei lagern in Vorratstanks zwei verschiedenartige Flüssigkeiten. Diese Elektrolyte werden bei Bedarf durch kleine Reaktionskammern gepumpt, wo sie dann Elektronen aufnehmen oder abgeben – Vorgänge, die in der Fachsprache Reduktion und Oxidation heißen. In den Kammern wird somit Strom in energiereiche chemische Verbindungen umgewandelt oder umgekehrt. Redox-Flow-Speicher unterscheiden sich in einem Punkt prinzipiell von allen anderen Akkus: Ihr Speichervermögen lässt sich steigern, ohne dabei die Leistung des Systems zu erhöhen. Um beispielsweise mehrere Hundert Kilowattstunden speichern zu können, muss man einfach nur größere Tanks bauen – während man etwa bei Lithiumionen-Akkus ihre Gesamtzahl erhöhen müsste.  Damit verspricht die Redox-Flow-Technologie Kostenvorteile – ein Versprechen, das sie gegenwärtig aber nicht einlösen kann. Zwar vermarktet etwa die Gildemeister energy solutions GmbH, Würzburg, bereits Redox-Flow-Speicher mit einer Kapazität von 40 bis 1600 Kilowattstunden. Doch noch sind die Speicher sehr teuer.

In der Studie 2014 des Batterieforums heißt es dann auch: „Zentrale Forschungsthemen sind nach Sicht der Befragten: kostengünstigere Produktionstechniken sowie die Suche nach anderen Redox-Paaren als den derzeit eingesetzten und nach organischen Materialien, die sehr kostengünstig herstellbar sind.“ Es scheint, als ob sich Wissenschaftler der Universität Jena das besonders zu Herzen genommen haben: Sie haben im Oktober 2015 eine Redox-Flow-Batterie vorgestellt, die auf günstigen Kunststoffen basiert und ohne giftige, korrosive Metallsäure-Lösungen auskommt.

Insgesamt gibt es sehr viele grundsätzlich verschiedene Akku-Systeme, die jeweils noch einmal mit unterschiedlichen Materialkombinationen realisiert werden können. „Tausende von Anoden, Zehntausende von Kathoden, Millionen von Elektrolyten führen zu Milliarden von Möglichkeiten“, sagt Winter. Der Münsteraner Batterieforscher und sein Jülicher Kollege Eichel sind überzeugt: Neue Methoden, mit denen man Ionen und Atome in den Batterien sozusagen live beobachten kann, werden den Fortschritt beflügeln. Viele Experten setzen auch auf mathematisch-physikalische Modelle von Batterien, mit denen am Computer die Vorgänge im Batterieinneren bis auf die Ebene der kleinsten Komponenten simuliert werden sollen. Weg vom Ausprobieren, hin zu systematischerem Forschen, so die Devise.

Das führt manchmal auch zu Missverständnissen, berichtet Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm: „Da hören Grundlagenforscher schon mal vor allem von der Industrie: Woran forscht ihr denn da? Das wird nie kommen.“ Dabei gehe es in dieser Forschung  etwa darum, prinzipielle Vorgänge besser zu verstehen – und nicht unbedingt darum, mit praktisch einsetzbaren Materialien zu arbeiten, betont der Ulmer Wissenschaftler.

Letztlich berührt das die Frage, was die Batterieforschung am besten voranbringt und wofür man Fördergelder einsetzt. „Insbesondere die Industrie wünscht sich mehr Unterstützung in der produktionsnahen Forschung“, fasst das Batterieforum Deutschland die Ergebnisse seiner Expertenbefragungen zusammen. Grundlagenforscher wie der Jülicher Rüdiger Eichel haben eine andere Sichtweise: Das Feld jenseits der bewährten Technologie warte nur darauf, entdeckt zu werden, sagt er. Und darin lägen der Charme und die Chance: „Deutsche Wissenschaftler haben nahezu alle Möglichkeiten, sich auf dem Feld zu profilieren. Da laufen wir niemandem nach!“

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